Klosterbrauerei Baumburg. Im Chiemgau ganz oben

Tellerrandgschau: In der Wohlfühllandoase

Kennt den wer? Albert Füracker? Ah, „Heimatminister“ ist der. Und Finanzminister. Anscheinend hat Heimat was mit Geld zu tun. Gut, der innere Zusammenhang mag nicht jedem sofort aufgehen. Jedenfalls möchte man meinen, so ein Minister hätte mit dem Finanzressort schon ausreichend um die Ohren. Allein die Scherereien, die ihm die Bayerische Landesbank traditionell macht. Fragen’S doch mal den Fahrenschon nach den zehn Milliarden Euro, die die Bayern LB 2009 dem Steuerzahler mit ihrer Zockerei am Subprime-Markt aus der Tasche gezogen hat. Oder nach den fünf Milliarden Euro Verlust aus dem Hypo-Alpe-Adria-Gschäfterl. Davon könnten Fürackers Vorvorgänger Huber und Faltlhauser bestimmt auch ein Liedlein singen. Wer weiß, wie desaströs die Landesbank abgeschnitten hätte, wären die Finanzminister damals auch noch für Heimat zuständig gewesen.

Sei’s drum. Ist er halt Heimatminister auch noch, der Füracker. An sich ja keine ganz schlechte Idee, so ein Ministerium. Das soll sich um die „abgehängten Regionen“ kümmern. Allerdings sei die Frage erlaubt, wer denn über Jahrzehnte zugelassen hat, dass Regionen „abgehängt“ wurden? Ein eleganter Zug eigentlich, diese Installation eines Reparaturministeriums. Ändert die Perspektive auf Verantwortlichkeiten. Die Staatsregierung trägt Verantwortung dafür, dass die Regionen in Zukunft besser dastehen. Die Versäumnisse der Vergangenheit? Die sind Geschichte. Wer für die Zukunft Verantwortung übernimmt, der braucht den Blick zurück nicht. Womöglich müsste man dem Wähler Fehler eingestehen – und der Opposition, falls vorhanden, Munition liefern. Wer will das schon?

So ein Reparaturminister hat sicherlich viel zu tun. Termine über Termine, jeder erwartet staatstragende Reden. Da ist ein Termin bei der Landesausstellung an sich – in Zeiten des Wahlkampfs allemal – grundsätzlich willkommen, aber nicht allererste Wahl, wenn man bedenkt, dass hier nur ein vergleichsweise übersichtliches Presseaufgebot und ein paar Braumeister rumturnen. Und die übliche Wahlkampfrede greift auch nicht unbedingt. Der Redenschreiber muss ein bisserl variieren, die Biege hinbekommen zu den Klosterbrauereien, freundlich zu den Braumeistern sein, dem Bier Wohlwollen entgegenbringen, vor allem natürlich der Heimat huldigen.

„Bayern ist mit seiner Natur, seiner Kultur und seinen Traditionen auf der ganzen Welt berühmt und schon fast zum Synonym für Heimat geworden.“ Aber sowas von. Steht der Chinese vor Neuschwanstein, dann denkt er bestimmt: „Heimat.“ Synonym für Heimat. In aller Welt. Dieses Heimatgefühl soll alle Welt aber dann doch am liebsten daheim entwickeln. Den Spagat muss man auch erst mal hinbekommen.

Weiter im Text: „Das Wohlfühlland Bayern zeichnet sich durch seine hohe Lebensqualität aus.“ Sagt der Füracker immer. Wortwörtlich. Ob er die Klosterbrauereien würdigt oder das Spitzenklöppeln im Oberpfälzer Wald mit dem „Heimatpreis Oberpfalz“ auszeichnet, immer sind das „Wohlfühlland Bayern“ und die hohe Lebensqualität mit dabei. Spitzenklöppeln respektive Klosterbrauereien werden dann „wichtige Bestandteile unseres Heimatgefühls in Bayern“. Einfallslos? Nun ja. Wenn so eine Rede mal geschrieben ist, sollte sie schon ein paar Jahre halten. Tut sie. Mit Heimatsynonym und Wohlfühlland war Söder seit 2005 erfolgreich auf Tour. Füracker plays Söder’s greatest hits. Wenn sich beim Zuhörer die Phrase „Wohlfühlland Bayern“ eingebrannt hat, dann hinterfragt er irgendwann den Wahrheitsgehalt nicht mehr. Ist so. Und wem haben wir das Wohlfühlland zu verdanken? Dem Begriffspräger, der Staatsregierung, Söder. In anderen Staatsformen nennt man so etwas Gehirnwäsche.

Ist aber Füracker nur ein Epigone Söders? Mitnichten. Er weicht – je nach Anlass – vom Urtext ab. Genau hier wird’s beim Ettaler Pflichttermin abenteuerlich. Mit der Klosterbier-Sonderedition werde spielerisch ein Brücke zwischen der jahrhundertelangen Historie der einzelnen Brauereien und der Gegenwart geschlagen. Was will er uns damit sagen? 1. Die lösbare Rechenaufgabe „Zahl auf dem Etikett + 100 = Alter der Klosterbrauerei“ befriedigt offenbar den Spieltrieb des Ministers. Wer beruflich mit Etatrechenschiebereien im elfstelligen Zahlenraum belastet ist, der mag das als erfreuliche Herausforderung betrachten. 2. Bier ist die Brücke zwischen der Geschichte der Brauereien und der Gegenwart. Eine Aussage wie in Stein gemeißelt. Vor 400 Jahren haben sie gebraut, heute brauen sie immer noch. Wer hätte das gedacht?
Aber es kommt noch besser: „Damit sensibilisiert man auch junge Leute für die einzigartige bayerische Geschichte.“ Mit Bierflaschen, die Zahlen auf den Etiketten tragen, im Speziellen? Oder mit Bier im Allgemeinen? Vielleicht sollte man dieser geschichtsvergessen-unsensiblen Jugend das eine oder andere Tragerl im Geschichtsunterricht kredenzen. Damit man sie mal ordentlich sensibilisiert.

Und wenn Sie demnächst spätabends einen jungen Menschen sehen, der offenbar einen zu viel im Tee hat, brechen Sie nicht voreilig den Stab über ihn. Vielleicht hat er ja nur Hausaufgaben gemacht und spielerisch eine Brücke zwischen Brauereihistorie und Gegenwart geschlagen. Der ist nicht folkloristisch angetrunken, sondern historisch hyposensibilisiert. Cogito, ergo sum – war gestern. Ab sofort heißt’s: Bibo, ergo sum. Ich trinke, also bin ich. Zum Wohle der Heimat. Prost, Herr Heimatminister. Andreas Falkinger