Lauschig & fein

„Schloßwirtschaft Wildenwart“: Ort der Gastlichkeit mit Historie

Morgens, halb zehn in Wildenwart. Ruhe. Nicht diese künstliche Frühstückchen-Idylle aus der Werbung. Zu hören ist nur, was eben so zu hören ist auf dem Land. Unaufgeregte Alltagsgeräusche. Traktorenrattern weht’s rüber, ein Muhen ab und an aus einem nahen Stall, Vogelgezwitscher, Insektensummen, die Prien murmelt vor sich hin. Keine Hektik. Ruhe. Im Schatten der alten Linden im Biergarten der „Schloßwirtschaft Wildenwart“ sucht ein flauschiger Siebenschläfer konzentriert und geschwind nach Verwertbarem. Vom Geschirr- und Töpfeklappern aus der Küche, das sich ins sanfte Wildenwarter Grundrauschen einfügt, lässt er sich überhaupt nicht stören.

Vier Köche und zwei Beiköche wuseln durch die Küche, bereiten Zutaten vor, hacken Gemüse, die Brühe ist aufgesetzt, jeder Handgriff sitzt. Hier ist ein eingespieltes Team am Werk. Muss auch – kein Tag ist wie der andere, die Gerichte auf der Speisekarte wechseln täglich, von Mittwoch bis Sonntag. Von 10 bis 14 Uhr und von 17 Uhr bis Mitternacht ist die Gaststätte geöffnet, warme Küche gibt’s ab 11.30 und von 17.30 bis 21 Uhr.

Historischer Ort der Gastlichkeit: die „Schloßwirtschaft Wildenwart“ bei Frasdorf.

Das Wirtshaus bei Frasdorf im Chiemgau ist geschmackvoll renoviert, grad so, wie man sich ein bayrisches Wirtshaus vorstellt: viel Holz, ein Kachelofen in der Gaststube, Gamskrickerl und Schützenscheiben an den Wänden. Vom Biergarten aus, der an direkt den Park anschließt, schaut man aufs Schloss. Ein wahrlich historischer Ort der Gastlichkeit.

Wildenwart – der Name bedeutet Warte in der Wildnis. Die Warte ist ein Ort, von dem man Ausschau hält, ein wehrhafter Beobachtungsposten, ein Turm, eine Burg. Besagte Warte hatte der Graf von Falkenstein im 12. Jahrhundert in der Wildnis errichten lassen. Wild war nicht nur die Landschaft – kaum kultiviert, die Wälder noch nicht gerodet –, wild waren auch die Zeiten. Bei Prutdorf führte damals einer der wichtigsten Handelswege des westlichen Chiemgaus über die Prien. Diesen Übergang sicherte die Burg Wildenwart. Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die Burg zerstört, und beim Wiederaufbau ist sie nach und nach zu einem Schlösschen umgestaltet worden, das dann im Laufe der Zeit mehrmals den Besitzer wechselte, bis die bayerische Königsfamilie das Anwesen erbte. Heute lebt Max Emanuel Herzog in Bayern im Schloss Wildenwart.

Den Übergang über die Prien braucht Wildenwart natürlich nicht mehr zu sichern. Der einzige Übergang, über den man sich heute im Wirtshaus in aller Gemütsruhe Gedanken macht, ist, ob man nach dem aufs Angenehmste kreierten Hauptgang zum süßen Nachtisch oder gleich zum flüssigen Obst übergehen sollte.

Die Schloßwirtschaft ist nicht nur schmuck, hier findet man auch die traditionelle bayrische Küche (wieder). Aber auch Feines aus der Nouvelle Cuisine mit vielen heimischen Produkten. Das Köcheteam veredelt die hochwertigen Grundprodukte mit Sorgfalt und achtet dabei auf den Erhalt der Natürlichkeit der Speisen. Zudem ist der Service aufmerksam, freundlich und flott.

Zum Wirtshaus gehören die Gaststube und das Schützenstüberl mit insgesamt 90 Plätzen, der Saal mit 120 und der heimelige Biergarten mit 220 Plätzen. Christoph Gelder ist gebürtiger Wildenwarter und nur 250 Meter vom Gasthof entfernt aufgewachsen. Mit der damaligen Wirtsfamilie war er befreundet. Früh begeisterte er sich für die Gastronomie – und diese Begeisterung war offenbar nachhaltig: Seit 2007 ist er Pächter der Schloßwirtschaft.

Wirt und Koch aus und mit Leidenschaft: Christoph Gelder.

Seine Lieferanten für Fisch, Fleisch, Wild, Gemüse, Eier sowie Milch und Milchprodukte sucht sich Christoph Gelder möglichst nah „um den Kamin“. So hat er regionale, saisonale Kleinlieferanten: Salat und Gemüse bekommt er von der Frasdorfer Biogärtnerei „Irmgärtchen“, ein Kaninchenzüchter beliefert ihn, die Bioland-Käsespezialitäten stammen vom Frasdorfer „Anderlbauer“ Johann Huber. Die Jäger Georg Schwaiger und Fritz Fuihl sorgen für frisches Wildbret. Alle Zulieferer findet man namentlich in der Speisekarte aufgelistet.

Apropos Wildbret – heute steht als Vorspeise „Aufbruch vom Reh“ auf der Karte, also Innereien mit einem wunderbaren Sößchen und Früchten sowie Kartoffelpüree. Ein Gedicht. Den Aufbruch gibt’s natürlich nicht immer, dafür anderes Saisonales, wie die Karte beweist. Einige Beispiele: Als Vorspeisen Chiemsee-Renkenmatjes mit Hausfrauensauce, jungem Pflücksalat und Baguette; warmen Ziegenkäse mit Rosmarinhonig auf Salat von Biotomaten oder Bratensülze mit Röstkartoffeln und Kernöl. Zum Hauptgang: Rehschnitzel aus Wildenwarter Jagd mit marinierten Wildkräutern und Spargelgröstl; Kalbfleischpflanzerl; Spinatknödel mit Salbeibutter, geriebenem Parmesan und gemischtem Salat oder Frikassee vom Priener Perlhuhn mit Pfifferlingen, Bandnudeln und gemischtem Salat. Und hinterher eine Köstlichkeit wie Topfen-Nougatknödel mit süßen Bröseln auf Rhabarber und Erdbeeren; Wildenwarter Apfelschmarrn mit Vanilleeis; frisch gebackener Schokoladenkuchen von der Zotter Bioschokolade mit flüssigem Kern und Himbeersorbet – oder lieber eine Käsevariation mit Feigensenf und Baguette? Als süffige Begleiter empfehlen sich unter anderem die Biere vom Tegernseer Brauhaus und alkoholfreier Bergapfelsaft mit Holunder. Natürlich darf auch eine umfangreiche Weinkarte nicht fehlen, Empfehlungen findet man auf der Tageskarte.

Was eigentlich sein Lieblingsgericht sei, wollen wir wissen von Christoph Gelder. „Gebratene Kalbsleber und -Nieren auf Balsamico-Linsen und Spinat mit Senfsoße“, verrät er uns. Innereien gehören in der Schloßwirtschaft dazu, denn der Wirt kauft und verwertet – wenn möglich –die ganzen Tiere. Das braucht Erfahrung: „Schmorbraten bedeuten eine hohe Kunst des Wissens“, ist er überzeugt.

Christoph Gelder koordiniert, kocht aber auch selbst mit. „Wir haben viel zu tun, was natürlich einen gewissen Druck bedeutet, sind aber dennoch zufrieden“, sagt der Wildenwarter Wirt. Seine Anliegen: „Die Wirtschaft muss leben, soll gleichzeitig Heimat für Vereine, Einheimische und Gäste sein. Und bei der Speisenauswahl eine Mischung aus gewohnt gutem bis ausgefallenem Geschmackserlebnis bieten.“ Er betont, dass die Schloßwirtschaft schon immer einen guten Ruf genossen hat und er diese Tradition fortführen möchte. Das ist ihm gelungen, wie man sich selbst leicht überzeugen kann – und „geadelt“ die „Schloßwirtschaft Wildenwart“ auch schon: Bereits zwei Mal wurde sie in den „Slow Food-Genussführer“ aufgenommen – und auch in der neuen Ausgabe, die im Herbst erscheint, ist er wieder mit dabei. Gratulation, Herr Gelder!

Text & Fotos: Herbert Zeilinger

Aufbruch vom Reh mit einem wunderbaren Sößchen – ein Gedicht!
Schloßwirtschaft Wildenwart

Ludwigstraße 8
83112 Frasdorf
Tel. 0 80 51 / 27 56
info@schlosswirtschaft-wildenwart.de
www.schlosswirtschaft-wildenwart.de
Öffnungszeiten
Mittwoch bis Sonntag: 10 bis 14 und 17 bis 0 Uhr
Warme Küche: 11.30 bis 14 und 17.30 bis 21 Uhr