Am Anfang war der Wirbel
Hartmut Wolf aus Waging: Vom Ultra-Magermotor-Entwickler zum Erfinder des „Wohlfühlariums“
Jedem Tierchen sein Pläsierchen, heißt es. Die einen basteln im Keller an der Modelleisenbahn, andere finden beim Wandern Erfüllung, wieder andere garteln oder sammeln Briefmarken. Dann gibt’s aber noch die ganz Speziellen, die ein Hobby gefunden haben, das sie mit niemandem teilen. Und das sie so in Beschlag nimmt, dass es sie nicht mehr loslässt, bis es zum Lebensinhalt, zur Profession wird. Hartmut Wolf hat aus seinem Interesse die Grundlage für sein Unternehmen entwickelt. Seine Leidenschaft: Wirbel.
„Ein bisschen durchgeknallt“
Nein, nicht Hals-, Brust- oder Lendenwirbel. Viel größer. Nichts weniger als das Urprinzip des Universums hatte der gelernte Elektroniker im Blick: Ihn faszinieren Wirbelysteme. Von der Spiralgalaxie über Wirbelstürme, Wirbelbildungen unter der Baumborke, Strudel in Flüssen und Schneckenhäuser bis hin zur Helix der DNS. Überall: Wirbel. „Das hat mich so weit angemacht, dass ich als Hobby in eine physikalische Grundlagenforschung eingestiegen bin“, erinnert sich Hartmut Wolf. „Ich habe damals eine Wirbelkammer konstruiert, um den ,optimalen Wirbel‘ zu finden.“ Kein handelsübliches Hobby für einen jungen Mann. Wenn heute ein 23-Jähriger in seiner Freizeit den optimalen Wirbel suchte, würde man ihn vermutlich als „Nerd“ bezeichnen. Lachend bestätigt der Waginger diese Einschätzung: „Ja, ein bisschen durchgeknallt muss man schon sein.“
Projekt Fünf-Liter-Auto
Seine Privatforschung hatte allerdings durchaus einen seriösen Hintergrund. In den 80ern, als er mit seinen Untersuchungen begann, war das Waldsterben in aller Munde. Damals war Hartmut Wolf in Hessen in der Industrieautomation unter anderem für die Autoindustrie tätig. „Da lag der Gedanke nahe, sich mit der Reduzierung mit Abgasen zu beschäftigen. Im Wirbelprinzip sah ich eine Möglichkeit, den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen signifikant zu verringern.“ Diese Idee verfolgte Hartmut Wolf konsequent und hartnäckig. Das Resultat seiner Arbeit war eine Wirbelstrom-Gemischaufbereitung, die auf den Motorblock aufgesetzt wurde. Über zwei Lufteinlässe wurde in einer Wirbelkammer ein sehr schnell drehender Wirbel erzeugt, in dessen Zentrum der Kraftstoff eingeleitet wurde. Der Sprit wurde so extrem fein zerstäubt, das Gemisch wurde dann in die Zylinder eingeleitet. „Dadurch erreicht man eine viel magerere Verbrennung und fährt mit einem viel geringeren Benzinverbrauch.“ Wolf und sein Kompagnon fanden einen Investor und entwickelten die Gemischaufbereitung bis zur Serienreife, funktionierender Prototyp mit inbegriffen.
Rund 30 Prozent Spritersparnis wären so zu erreichen gewesen. Wären. Denn die Autoindustrie war an der Entwicklung nicht interessiert. Sie setzte auf ein anderes Pferd – die Direkteinspritzung. Und außerdem klang vermutlich die mit dem Wolfschen Ultra-Magermotor verbundene Leistungsminderung für die Entwicklungschefs wenig attraktiv. „Wir haben richtig Geld versenkt.“ Damals sah es jedenfalls so aus, als wäre Wolf mit seiner Entwicklung zu spät dran. Aus heutiger Sicht war es aber wohl zu früh: „Eine ähnliche Technik wird Mazda wohl demnächst auf den Markt bringen.“
Die Ablehnung war ein Tiefschlag. Hartmut Wolfs Begeisterung für Wirbel konnte der jedoch nichts anhaben. „Dann mach ich halt etwas, bei dem ich auf niemand anderen angewiesen bin und das ich selbst vermarkten kann.“ Und wieder ließ er sich vom Umweltschutzgedanken inspirieren. „Die rot-grüne Landesregierung hatte in Hessen den ,Wasserpfennig‘ (Wasserentnahmeabgabe, Anm. d. Red.) eingeführt, um die Großverbraucher zu einem bewussteren Umgang mit der endlichen Ressource Trinkwasser zu bewegen.“
Wenn man mit Hilfe einer Wirbelkammer Benzin sparen kann, dann doch sicher auch Wasser. Er konstruierte wieder, diesmal einen Duschkopf. Das Land Hessen förderte die Entwicklung – und diesmal hatte er das Produkt, das er selbst vermarkten konnte. Das tat er dann allerdings nicht in Hessen, sondern in Waging, wo es ihn der Liebe wegen hinverschlagen hatte.
Wenn’s Luftblasen regnet
Das Prinzip der Brause ist so einfach wie wirkungsvoll. Wenn man’s kann. Das in den Duschkopf einfließende Wasser wird in einer kleinen Wirbelkammer in Rotation versetzt. Im Zentrum entsteht wieder eine Sogwirkung: Über eine Art Ventil in der Mitte des Brausekopfs wird Luft angesaugt, die im Inneren der Brause mit dem schnell rotierenden Wasser vermischt wird. Durch die Kräfte, die hier wirken, werden Blasen erzeugt – Luftblasen mit einer dünnen Wasserhülle. In Summe kommt also ein Schwall, ein Regenguss aus weichen Wasserblasen aus der Dusche. Deshalb hat Hartmut Wolf seine Erfindung auch „Bubble Rain“ genannt. Die Wasserersparnis liegt übrigens bei bis zu 60 Prozent, auch weil die Anzahl der Schwebetröpfchen, die bei herkömmlichen Duschen zwangsläufig auftreten, um etwa 80 Prozent verringert wird.
Das ist aber noch nicht alles: Dazu kommt die Energieersparnis. Wasser, das man nicht braucht, muss auch nicht erhitzt werden. Und Hartmut Wolf hat noch weiter gedacht: Verbaut wird ausschließlich antibakterielles Kupfer und kein Plastik, das ein idealer Nistplatz für Legionellen wäre. Positiver Nebeneffekt: Kalk lagert sich am Metall weniger leicht an und ist leichter zu entfernen.
„Bubble Rain“ bei „Galileo“
Seit 1997 ist Bubble Rain auf dem Markt. Als erster Duschkopf überhaupt wurde er mit dem vom Bundesinnenminister und den Umweltministern der Länder initiierten „Blauen Engel“ ausgezeichnet. Schließlich wurde auch das Fernsehen auf Hartmut Wolfs Erfindung aufmerksam, das Pro7-Format „Galileo“ stellte Bubble Rain im Jahr 2003 vor. „Das war wahnsinnig spannend für uns. In den Wochen nach der Ausstrahlung verkauften wir 3.000 Brausen.“ Der Mitteldeutsche Rundfunk legte nach und berichtete in seiner Sendung „Einfach genial“ über den Waginger und seine Erfindung.
Auf seinen Lorbeeren ruht sich Hartmut Wolf selbstverständlich nicht aus, zumal der Patentschutz auch nicht ewig vorhält. Inzwischen hat er kräftig weitererfunden. Den antibakteriellen Brauseschlauch FlexClean mit integriertem Hygienesystem zum Beispiel. In dem kann sich kein Biofilm bilden, wie das in praktisch allen handelsüblichen Schläuchen der Fall ist. Im Zusammenhang mit der Vermeidung von Krankenhauskeimen kommt das System bereits in einigen Kliniken zum Einsatz.
Aber auch für die Küche hat Hartmut Wolf praktische Helferlein entwickelt: einen Strahlregler, der nur 4,5 Liter Wasser in der Minute verbraucht und dabei dasselbe Strahlvolumen liefert wie normale Regler, die 13 Liter pro Minute durchlassen. Und aus dem Hause Wolf Umwelttechnologie stammt das Filtersystem Aquana. Das filtert das Wasser nicht mit Hilfe von Kunststoffmembranen oder von Kohle aus verbrannten Kunststoffen, sondern durch den Einsatz von Kieselkeramik. „Damit filtern wir mikrobiologische Verunreinigungen genauso wie Mikroplastik aus dem Trinkwasser.“
Der jüngste Stern in der Wolf-Galaxie ist der Elixator: In dem kleinen Gefäß, das zwischen Armatur und Duschschlauch montiert wird, mischt eine Wirbelkammer – was sonst? – dem Wasser auf Knopfdruck einen Teelöffel Bio-Pflegeöl bei. Die Hautpflege gibt’s dann schon beim Duschen, das Eincremen mit den üblichen Produkten, denen Emulgatoren und Konservierungsstoffe zugesetzt sind, entfällt. Die Wirbeltechnik schließt die Öle bei 100.000 Umdrehungen pro Minute derart fein auf, dass sie die Haut sofort aufnimmt. In der Entwicklung ist zudem ein Kneipp-Adapter.
Im Paket mit Bubble Rain und dem FlexClean-Schlauch vermarktet Hartmut Wolf den Elixator unter der Bezeichnung „Wohlfühlarium“. „Das ist für Zuhause genauso ideal wie für Hotels, die ihren Wellness-Gästen etwas Gutes tun wollen. Die Leitung des Hotels Axelmannstein in Bad Reichenhall beispielsweise hat das erkannt und die Hotelduschen mit dem „Wohlfühlarium“ ausgestattet.
Das Housekeeping war zunächst dagegen, weil die Damen meinten, sie müssten dann auch noch ölige Duschkabinen extra reinigen. Tatsächlich ist es aber so, dass das Pflegeöl in der Dusche nicht nur keine Spuren hinterlässt, sondern sie auch noch einfacher zu säubern ist, weil Kalk und Seife nicht so stark anhaften können. Inzwischen bestellen die Reinigungskräfte unsere Pflegeöle sogar selbst nach“, erzählt der Erfinder zufrieden schmunzelnd.
Stefan Raab lässt bitten
Auch der Elixator hat’s bereits ins Fernsehen geschafft: Hartmut Wolf durfte seine Erfindung auf Pro7 in „Das Ding des Jahres“ vorstellen. „Wir steckten gerade mitten in einem Großauftrag, als wir die Anfrage bekamen. Den Stress wollten wir uns eigentlich gar nicht antun. Deshalb haben wir abgesagt. Dann kam der Anruf aus Stefan Raabs Büro (Raab ist Entwickler und Produzent der Show, Anm. d. Red.). Stefan Raab lässt bitten! Da hab ich mir gesagt: ,Du Weichei! Eine Show am Samstagabend um 20.15 Uhr? Wie oft bekommst du das im Leben?‘ Und dann haben wir eben doch mitgemacht.“
Bereits auf dem Markt ist der Elixator für die Küche, der Elixator Qi. Aus vitalisiertem Wasser und wertvollen Biopflanzenölen mischt er Gesundheits- und Schlankheitsemulsionen direkt aus dem Hahn. „Der Körper kann Öle und Fette nur als Emulsionen verwerten. Die herzustellen, ist für Magen, Galle, Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm Schwerstarbeit, die schon mal mit Beschwerden verbunden ist. Diese Schwerstarbeit nimmt der Elixator Qi dem Körper ab. Das ist nicht zuletzt für Menschen, die aufgrund einer Krankheit Fette nicht aufspalten können, ein Segen.
Seine Produkte lässt Hartmut Wolf übrigens nicht in Fernost herstellen. „Wir machen alles selbst, hier in Waging: Entwicklung, Produktion, Verpackungsdesign, Marketing und Verkauf.“ Acht Angestellte beschäftigt die Wolf Umwelttechnologie GmbH inzwischen.
Die Wirbelstrom-Gemischaufbereitung ist übrigens nicht ganz in der Versenkung verschwunden. „Ich hatte mich so tief in die Materie eingearbeitet und war schon so weit in der Autotechnik drin, dass ich mir irgendwann gesagt habe: , O.k., jetzt bastle ich nicht mehr am Motor rum, sondern baue mir komplett mein eigenes Auto.‘ Ich wollte ein Auto, mit dem ich einerseits die Ressourcen schonen und gleichzeitig Spaß haben kann.“ Sein Wolf-Cabrio, das er auf dem Chassis einer Ente aufgebaut hat, braucht zwischen 4,5 und fünf Liter auf 100 Kilometern. Wer will das schon? Die Petroindustrie sicher nicht.
Text und Fotos: Andreas Falkinger
Wolf Umwelttechnologie GmbH
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