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„Jeder kann was tun“

Pidinger-Bienenweg-Initiator Dr. Bernhard Zimmer zum Thema Bienen-Schutz

Bienensterben, Insektensterben und in der Folge Vogelsterben – die Konsequenzen menschlicher Eingriffe in die Natur haben diesen Sommer Schlagzeilen gemacht. Die bumberlgsund-Redaktion unterhielt sich mit dem Bad Reichenhaller Bienen-Experten und Initiator des Pidinger Bienenweges darüber, wie man Bienen schützen kann.

Die Bienen sind bedroht. Diese Erkenntnis ist inzwischen in den Köpfen angelangt. Genannt werden verschiedene Gründe für das Bienensterben: Monokulturen in der Landwirtschaft. Der Lebensraum schwindet, weil sich die Städte immer weiter ausbreiten. Insektizide. Vermutlich spielt alles eine Rolle. „Die Frage ,Wer ist schuld?‘ interessiert mich nicht mehr. Mich interessiert die Frage ,Was kann ich tun?‘“ Dr. Bernhard Zimmer aus Piding (Landkreis Berchtesgadener Land) ist es leid. Die Verantwortung wird von Mitverursacher zu Mitverursacher geschoben. Das Europaparlament klopft sich auf die Schulter, weil es den Landwirten die Nutzung von drei bienenschädlichen Insektengiften verboten hat. Derweil kann man davon ausgehen, dass die Agrarkonzerne längst mit neuen Insektiziden in den Startlöchern stehen. Die Politik streitet über den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft, während Klein- und Hausgärtner jährlich 95 Tonnen des Unkrautvernichtungsmittels unkontrolliert einsetzen. Der Bauernverband propagiert, hie und da einen Blühstreifen stehen zu lassen, was die Biobauern wieder auf die Palme treibt, weil das kaum genügen wird. Die Leute sind derart mit Schuldzuweisungen beschäftigt, dass sie keine Ressourcen mehr frei haben, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Jeder sollte was tun

Das Spiel will der promovierte Forstwissenschaftler Bernhard Zimmer nicht mitspielen. „Jeder kann was tun“ lautet sein Credo. Und in Anbetracht der Wichtigkeit des Themas sollte auch jeder was tun. Laut Deutschem Imkerbund hängen bis zu 85 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge im Pflanzen- und Obstbau von der Bestäubung durch Bienen ab. Der Wert ihrer Arbeit allein in Deutschland wird auf jährlich rund 1,8 Milliarden Euro taxiert. Je nach Studie sind zehn bis 50 Prozent der in Deutschland lebenden Wildbienenarten bedroht; 39 Arten gelten bereits als ausgestorben.

Dr. Bernhard Zimmer vor dem Bienenhaus am Piedinger Bienenweg.

Jeder kann was tun? Dr. Bernhard Zimmer tut. „Meine Initialzündung für die Beschäftigung mit Bienen war das so genannte Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofs.“ Das Gericht hatte 2011 entschieden, dass Honig, der gentechnisch veränderte Pollen enthält, nur noch mit gesonderter Zulassung in den Handel darf. Geklagt hatte ein Hobby-Imker aus dem schwäbischen Kaisheim. Er ging seit 2002 gegen den Anbau von Genmais der Firma Monsanto vor, der seinen Honig mit genveränderten Pollen kontaminierte – und der Imker bekam Recht. In der Folge beschäftigte sich Bernhard Zimmer noch intensiver mit den Themengebieten nachwachsende Rohstoffe, landwirtschaftliche Produktion, Naturraumbeanspruchung und Landnutzungssystemen. Nach seiner langjährigen akademischen Laufbahn an der TU München und an der FH Salzburg machte er sich selbstständig und gründete das Bayerische Institut für nachhaltige Entwicklung (bifne). Zur selben Zeit entschloss er sich, selbst Bienen zu halten.

Projekt „Mensch und Biene“

Die Bereiche, mit denen sich das bifne befasst, sind Material- und Produktentwicklung, nachhaltige Regionalentwicklung, nachhaltiges Wohnen und Leben, nachhaltiges Bauen. Im Zuge seiner bifne-Tätigkeit stieß Bernhard Zimmer das Klimaschutzkonzept Berchtesgadener Land an und bearbeitete es anschließend. Ein weiteres konkretes bifne-Projekt lautet schlicht „Mensch und Biene“. „Das Projekt ist ein Versuch über die Bienenhaltung, mit der Biene gemeinsam den Einstieg in eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu finden. Der Honig soll den Weg dorthin versüßen und die Freude am Tun erhalten.“

Im Zuge dessen entstand der „Pidinger Bienenweg“ in der Nähe des Gasthofs Johannishögl bei Piding. Das Konzept erarbeitete Dr. Bernhard Zimmer, Projektträger ist die Gemeinde Piding, Förderer sind das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes und die Biosphärenregion Berchtesgadener Land. Der Forstwissenschaftler hat das Gelände gepachtet und biozertifizieren lassen – er darf also den Honig, den die Völker hier sammeln, als Biohonig vermarkten. Auf der Strecke zwischen dem Berggashof am Johannishögl und der Neubichler Alm informieren Tafeln über die Biene, ihren Lebensraum und die Gefährdung. Die Stationen heißen „Streuobstwiese“, „Quellen des Honigs“, „Totholz“, „Honigbiene“, „Bienenhaus“, „Obstbau“, „Wildbienen“ und „Bienen in Gefahr“. Die Infotafeln bieten einen anschaulichen und umfassenden Überblick über die aktuelle Situation der Bienen in Deutschland.

Überblick über das Gelände am Johannishögl.

Auf dem Gelände gedeihen unter anderem Pflanzen wie der Beinwell, das Echte Herzgespann, Salbei, Sommerflieder, diverse Küchenkräuter und Beerensträucher. In rauen Mengen findet sich die Durchwachsene Silphie. Der Korbblütler stammt ursprünglich aus Nordamerika. Die robuste mehrjährige Pflanze kann aufgrund ihrer großen Biomasse als Energiepflanze mit einer dem Mais entsprechenden Energieausbeute angebaut werden. Die Silphie verursacht in Dauerkultur deutlich weniger Arbeitsaufwand als der Mais, schützt vor Erosion, vermindert die Nitratauswaschung, sorgt für ein vielfältiges Bodenleben und ist mit ihren leuchtend gelben Blüten – im Gegensatz zum Mais, mit dem Insekten überhaupt nichts anfangen können – eine hervorragende Nektar- und Pollenquelle für Bienen und Hummeln. Entsprechend summt und brummt es rund um die Silphien am Bienenweg. „Derzeit wird untersucht, ob die Silphie nicht nur als Energiepflanze, sondern auch als Futterpflanze gegenüber dem Mais bestehen kann“, erzählt Bernhard Zimmer.

Sein umfassendes Wissen über Ökologie und Ökonomie möchte Dr. Bernhard Zimmer übrigens auch im Bayerischen Landtag einbringen. Er kandidiert für Bündnis 90/Die Grünen als Direktkandidat im Berchtesgadener Land an. Auf der Oberbayern-Liste belegt er den Listenplatz 14. Sollte er den Einzug in den Landtag schaffen, sieht er seinen Platz in der sachorientierten Gestaltungsebene. „Da kommt wieder der Wissenschaftler in mir durch“, sagt der 57-Jährige.

Küchenkräuter auf dem Balkon

Nicht jeder kann einen Bienenweg anlegen. Trotzdem kann jeder für Bienen und Wildbienen aktiv werden: „Schon ein mit Lippenblütlern bepflanzter Blumenkasten auf dem Balkon ist eine hilfreiche Maßnahme. Wenn man Kräuter wie Salbei, Basilikum, Majoran, Thymian und Zitronenmelisse zieht, tut man den Bienen und sich selbst etwas Gutes.“ Nicht unbedenklich sind viele Blumen aus dem Baumarkt. Greenpeace fand 2014 heraus, dass rund 80 Prozent der europaweit untersuchten Billig-Zierpflanzen mit Pflanzenschutzmitteln belastet waren, die für Bienen gefährlich sind.

Biene auf der Blüte einer Durchwachsenen Silphie.

Wer den Rasen in seinem Vorgarten millimeterkurz hält, verdrängt Lebensraum für Bienen und andere Insekten. Rasen bietet ihnen keinerlei Nahrung. Ideal wären Gärten, in denen heimische Wildblumen wachsen dürfen und Sträucher und Hecken stehen. Es darf auch mal Totholz rumliegen. „Es sind oft Kleinigkeiten, die Wildbienen ausreichen, um Nistplätze und Lebensraum zu finden.“ Totholz bietet Unterschlupf, Deckung, Schlaf- und Brutplätze und dient als Überwinterungsort. Bienen lieben Borretsch, Buchweizen, Kapuzinerkresse, Katzenmelisse, Klee, Kornblumen, Malven, Phazelien (auch „Bienenfreund“ oder „Bienenweide“ genannt), Ringelblumen, Sonnenblumen und Winterheide. Auf die Düngung mit Roundup & Co. sollte der Hobbygärtner komplett verzichten.

Beim Einkauf kann man diejenigen unterstützen, die Lebensräume für Bienen schaffen: Obst und Gemüse aus herkömmlichem Anbau sind meistens mit Pestiziden behandelt, die für Bienen gefährlich sind. Dagegen kommt der ökologische Anbau ohne künstliche Pestizide aus. Zudem praktizieren Biobetriebe einen häufigeren Fruchtwechsel als konventionelle Betriebe und lassen naturbelassene Elemente wie Hecken, Streuobstwiesen oder Feuchtbiotope zu, in denen Insekten leben können. Ein zusätzlicher wichtiger Effekt: Wer Lebensräume für Bienen und Wildbienen schafft, schafft zugleich auch Lebensräume für andere Fluginsekten wie Schmetterlinge, Fliegen, Wespen und Schwebfliegen und leistet so  einen Beitrag zur Sicherung von Ökosystemen.

Honig lieber regional als vom Discounter

Ein weiterer Verbrauchertipp: Beim Honigkauf sollte man kein Billigprodukt wählen. Nach Angaben des Deutschen Imkerbundes sind bis zu 80 Prozent des Honigs in unseren Supermarktregalen importiert. Ein Großteil der Importe stammt aus China, Mittel- und Südamerika. Dieser Honig ist in der Regel nicht nach den europäischen Standards und billig produziert. Der Honig heimischer Imker ist dadurch preislich nicht konkurrenzfähig. Das hat zur Folge, dass sich für Hobby-Imker der Verkauf und letztlich auch die Bienenhaltung nicht mehr lohnt. Das wäre fatal, übernehmen doch gerade die Hobby-Bienenzüchter eine tragende Rolle in Sachen Erhalt und Schutz der Honigbiene. Außerdem ist die Ökobilanz von Honig, der um die halbe Welt verfrachtet wird, verheerend.

Deutliche Kritik übt Dr. Bernhard Zimmer an den Gemeinden und Straßenbauämtern: „Die mulchen und mähen die Ränder und Straßenbankette aus.“ Hier müsse ein Umdenken zu mehr Bienenfreundlichkeit stattfinden.

Seine Begeisterung für Bienen hat Bernhard Zimmer auch schon an die nächste Generation potenzieller Hobby-Imker weitergegeben: Er betreute ein Schulprojekt des Karlsgymnasiums Bad Reichenhall, bei dem die Jugendlichen zwei Bienenvölker im Reichenhaller Staatsforst untersuchten. „15 Plätze waren ausgeschrieben, 60 Schüler haben sich beworben.“

Text : Andreas Falkinger. Fotos: luftaufnahmen-chiemgau.de (1) / Andreas Falkinger (1) / Dr. Bernhard Zimmer (3)

Pidinger Honigbiene bei der Arbeit.
Pidinger Bienenweg

Ortsteil Kleinhögl (Johannishögl); Themenweg auf der Forststraße zwischen dem Johannishögl und der Neubichler Alm am Kleinhögl.
Führungen auf Anfrage
Dr. Bernhard Zimmer
info@bifne.de
www.pidinger-bienenweg.de
www.bernhard-zimmer.de